Dem Technischen Hilfswerk (THW) in Heidelberg steht ein aufregendes Jahr bevor: Weil die Unterkunft in Wieblingen nicht mehr zeitgemäß ist, wird der Ortsverband vorübergehend auf das ehemalige US-Airfield in Kirchheim umziehen. In der Zwischenzeit werden die Fahrzeughalle und die Unterkunft für die 178 Ehrenamtlichen auf dem bisherigen Gelände am Taubenfeld neu gebaut. Gleichzeitig blickt der Ortsbeauftragte Peter Schollmeier auf ein einsatzreiches Jahr zurück: Ob nach Bränden in Heidelberg, beim Moorbrand im Emsland oder nach Unwettern in der Region: Die Heidelberger Helfer waren insgesamt 3294 Stunden in ihrer Freizeit im Einsatz.
"Wir als THW werden immer nur aktiv, wenn wir von anderen Behörden angefordert werden", erklärt Schollmeier. So habe man in Heidelberg bei dem Brand in der St.-Anna-Gasse nach dem Feuerwehreinsatz das Gebäude gesichert. "Über drei Etagen mussten wir Sicherungsbalken einziehen", berichtet der Ortsbeauftragte. In Mannheim unterstützten die Heidelberger ihre Mannheimer Kollegen nach einem Unwetter am Flughafen, als dort eine Baugrube abgesichert werden musste. Zusammen mit den Kollegen aus Sinsheim werden zudem die Abendspiele der TSG Hoffenheim abgesichert: Weil bestimmte Zugänge nur mangelhaft beleuchtet sind, hilft das THW mit seinen mobilen Anlagen aus. "Beim Moorbrand in Meppen hatten wir zudem drei Mann zur Führungsunterstützung im Einsatz", berichtet Michael Freiberg, der sich um die Pressearbeit kümmert. Und in der Nacht zum 1. Mai hat das THW den Einsatzbereich der Behörden an der gesperrten Thingstätte ausgeleuchtet.
Besonderer Höhepunkt der Arbeit im letzten Jahr war die Ausbildung von jordanischen Katastrophenschützern im April. "In Jordanien ist das bislang alles professionell organisiert. Bei uns sollten sie lernen, wie eine Hilfsorganisation mit Ehrenamtlichen funktioniert. Insbesondere wie man die Ausbildung methodisch und didaktisch so gestaltet, dass die Ehrenamtlichen auch noch Spaß dabeihaben", berichtet der stellvertretende Ortsbeauftragte Stefan Hofer. Das von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union ausgeschriebene Projekt habe zwar viel Kraft gekostet, die THW-Helfer hätten aber viel aus den zwei Wochen mitgenommen. "Einen Dank muss man hier insbesondere den Arbeitgebern aussprechen, die immer wieder bereit sind, unsere Helfer freizustellen", betont Hofer.
Dass sich die jordanischen Katastrophenschützer beim Heidelberger THW in dieser Beziehung viel abschauen konnten, zeigen die Ausbildungszahlen: Denn an neuen Helfern mangelt es im drittgrößten Ortsverband des Landes nicht, aber selbst für Heidelberger Verhältnisse war 2018 ungewöhnlich. "Insgesamt 25 neue Helfer haben ihre Grundausbildung abgeschlossen, so viele wie noch in keinem Jahr zuvor", berichtet Schollmeier. Für gewöhnlich liegt die Zahl der neuen Retter bei maximal acht pro Jahr. Bevor Interessenten in den Einsatz gehen dürfen, müssen sie zunächst eine Grundausbildung absolvieren, die gut ein halbes Jahr dauert und mit einer Prüfung abgeschlossen wird. Danach erhalten die Helfer weitere Fachausbildungen, je nachdem, welchem Bereich sie sich anschließen. Und auch in der Mini-Gruppe, in der die Sechs- bis Zehnjährigen an das THW herangeführt werden, hat man regen Zulauf und musste sogar einen Aufnahmestopp verhängen: "Wir bräuchten mehr Betreuer", sagt Schollmeier.
Und für diese vielen Helfer wird die Unterkunft am Taubenfeld einfach zu klein: "Ich bin seit über acht Jahren Ortsbeauftragter und seitdem kämpfe ich für einen Neubau", berichtet Schollmeier. Obwohl der Frauenanteil im Heidelberger THW mit 20 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, fehlt den Frauen eine Umkleide. Die Helferinnen müssen sich einen Raum mit der Jugendgruppe teilen. In der Unterkunft, die 1976 bezogen wurde, schätzt Schollmeier den Investitionsstau auf über eine Million Euro: "Die Fahrzeughalle ist zu klein, die Tore nicht hoch genug und zu schmal für die neuen Fahrzeuge", erklärt Freiberg. Wegen der beengten Verhältnisse müssen Fahrzeuge sogar im Freien abgestellt werden. Werkstatt und Materiallager sind schon seit Langem in Containern auf dem Gelände ausgelagert. Bis der Neubau 2023 fertig sein soll, wird es eine Interimslösung auf dem US-Airfield geben. "Dort sollen zwei bis drei Gebäude für uns ertüchtigt werden, vor allem die Elektro- und Wasserversorgung muss erneuert werden", berichtet Schollmeier.
Hilfswerk bekommt neue Struktur
Aufgrund der veränderten Bedrohungslage ändert sich die Schwerpunktsetzung beim Technischen Hilfswerk. Neben Naturkatastrophen und Extremwetterereignissen zählen zu den vorrangigen Einsatzbereichen auch Störungen kritischer Infrastrukturen oder Schadensereignisse mit dem Austritt von biologischen und chemischen Stoffen. In Heidelberg werden deshalb die zweite Bergungsgruppe und die Fachgruppe Wassergefahren neue Aufgaben erhalten. Aus der zweiten Bergungsgruppe wird die Gruppe Notversorgung, die mit einem mobilen Stromerzeuger ausgestattet wird, der acht Einfamilienhäuser versorgen kann. Das Einsatzgebiet der neuen Gruppe, die im Ernstfall die Stromversorgung für den Digitalfunk sicherstellen soll, ist ganz Nordbaden. Die aktuelle Fachgruppe „Wassergefahren“ weicht der neuen Einheit „Wasserschaden/Pumpen“. Sie wird über zahlreiche leistungsfähige Schmutzwasserpumpen verfügen, die nach Löscheinsätzen der Feuerwehr oder bei
Überflutungen eingesetzt werden können.
Hintergrund
Das Technische Hilfswerk ist als Bundesanstalt organisiert und direkt dem Innenministerium unterstellt. Allerdings ist nur ein Prozent der Mitarbeiter hauptamtlich für die Behörde tätig, 99 Prozent der THW-Angehörigen arbeiten ehrenamtlich in bundesweit 668 Ortsverbänden. Das THW in Heidelberg wurde 1952 gegründet. Die Geschäftsstelle war zunächst in der Bergheimer Straße untergebracht, das Gerätelager in der Pestalozzi-Schule. 1976 wurde die neue Unterkunft im Wieblinger Taubenfeld bezogen. In Heidelberg sind ein Technischer Zug mit zwei Bergungsgruppen sowie die Fachgruppen Ortung, Wassergefahren und Führung und Kommunikation stationiert. Im Ortsverband engagieren sich insgesamt 178 Helfer, rund 40 davon bilden einen harten Kern bei Einsätzen. Im Jahr 2018 sind 25 neue Helfer hinzugekommen. Im vergangenen Jahr leisteten die Ehrenamtlichen über 23.000 Dienststunden: 5824 Stunden entfallen auf die Ausbildung, 3294 auf die 26 Einsätze. (Quelle: Rhein-Neckar Zeitung)